Spenderanalyse mit KI - Teil I

Lesedauer: 7 Minuten

Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen bieten für NGO vielversprechende Ansätze im Fundraising. So können beispielsweise mithilfe von KI-getriebenen Prozessen Prognosen erstellt werden, welche Unterstützer das größte Potenzial haben, langfristige Dauerspender zu werden. Doch bevor in die Welt von Prognosen und Vorhersagen eingetaucht werden kann, muss sichergestellt sein, dass eine solide Basis für datengestütztes Arbeiten vorliegt.

Einführung in die fiktive Fallstudie

Um die im folgenden Artikel vorgestellten Methoden möglichst praxisnah zu beschreiben und vorzustellen, haben wir ein fiktives Szenario entwickelt. Dieses Szenario umfasst die fiktive Non-Profit-Organisation Zero Hunger e.V.

Wer ist Zero Hunger?

Zero Hunger wurde 1985 als Reaktion auf die große Hungersnot in Äthiopien gegründet. Inzwischen fördert die NGO Ernährungsprojekte in 180 Ländern in Afrika, Lateinamerika und Südostasien.

Das Fundraising von Zero Hunger

Das jährliche Spendenvolumen in Höhe von 142,6 Mio. € speist sich zu 30 % aus staatlichen Mitteln. Vor 5 Jahren lag dieser Anteil noch bei 45 %. Um dem Rückgang von staatlichen Mitteln entgegenzuwirken, hat Zero Hunger eine Dauerspender-Strategie entwickelt. Innerhalb der nächsten 3 Jahre soll sich der Anteil der Dauerspender*innen, die mindestens 50 EUR im Monat spenden, verdoppelt haben. Um dieses Ziel zu erreichen, möchte Zero Hunger eine Kampagne zur Gewinnung von neuen Dauerspendern aufsetzen.

Datengrundlage für das Fundraising

Dem Verein stehen für die Kampagne verschiedenste Fundraising-Kanäle und -Aktivitäten zur Verfügung, z.B. Print-Mailings, Website, Social Media Fundraising, Newsletter etc. Das Problem: Die Daten, die durch die Fundraising-Aktivitäten produziert werden, sind nicht systematisch erfasst. Viele Daten liegen in einzelnen Daten-Silos und sind nicht miteinander vernetzt. Dementsprechend kann der Erfolg der Dauerspender-Kampagne nicht strategisch ausgewertet werden.

Fundraising und KI

Die frisch eingesetzte Geschäftsführerin von Zero Hunger ist ein großer Fan von datengetriebenen Entscheidungen und offen gegenüber Innovationen. Sie nimmt die Dauerspender-Kampagne zum Anlass, um zusammen mit einer externen Beratung eine Datenstrategie zu erarbeiten und zu implementieren, um so den eigenen Digital Analytics Reifegrad zu steigern. Die Datenstrategie soll jedoch nur der erste Schritt sein. Im zweiten Schritt sollen mittels KI und Machine Learning Prognosen über das Verhalten von Spenderinnen und Spendern getroffen werden. Diese Prognosen sollen die Basis für die Kampagne zur Gewinnung von neuen Dauerspendern bilden.

Bevor der fiktive Verein Zero Hunger also in der Lage ist, mittels KI und Predictive Analytics die Kampagne zur Gewinnung von Dauerspendern zu optimieren, muss erst die Grundlage für eine datengetriebene Organisation geschaffen werden. Bis jetzt befindet sich die fiktive NGO Zero Hunger auf einem niedrigen Reifegradlevel. Das bedeutet, dass Daten weder systematisch erfasst noch für die Optimierung der eigenen Fundraising-Maßnahmen genutzt werden. Um die ersten Schritte hin zu einem datengetriebenen Verein zu machen und eine nachhaltige Datenkultur zu etablieren, bildet ab sofort die organisationsweite Datenstrategie die Basis des operativen Handelns.

Schritt 1: Zielsetzung

Um neue Dauerspender zu gewinnen, setzt Zero Hunger auf eine Vielzahl von Fundraising-Kanälen und -Aktivitäten. Die verschiedenen Social-Media-Kanäle oder Newsletter sind super Möglichkeiten, um Awareness für verschiedene Kampagnen und die Mission des Vereins zu generieren. Entlang der Donor Journey im digitalen Fundraising ist allerdings die eigene Website der wichtigste Touchpoint, denn über diese konvertieren Besucher letztendlich zu Spendern. Für Zero Hunger ist es also essenziell, sowohl den Traffic aus den verschiedenen Marketingkanälen als auch den Traffic auf der eigenen Website messbar zu machen und mithilfe von datengetriebenen Insights Handlungsempfehlungen daraus abzuleiten. Dafür muss sich Zero Hunger zunächst folgende Frage beantworten: Warum werden Daten gesammelt und was soll damit erreicht werden?

Mehr Kanäle bedeuten mehr Daten – auch für Zero Hunger. Da bis jetzt keine organisationsweite Datenstrategie vorlag, liegen die Daten der verschiedenen Kanäle dezentral in einzelnen Datensilos. Das Team weiß also gar nicht, welche Daten innerhalb der Dauerspenderkampagne erfasst werden sollen, wo diese hinfließen sollen und in welcher Form diese aufbereitet werden müssen, um eine saubere Entscheidungsgrundlage liefern zu können. Ein einheitliches und allgemeingültiges Zielbild sorgt an dieser Stelle für Ordnung. In diesem sollen die strategischen Ziele der Dauerspender-Kampagne definiert und an das Team kommuniziert werden. Im Zuge der Entwicklung einer Datenstrategie erarbeitet der Verein gemeinsam mit der externen Beratung ein KPI-Framework.

Folgende Fragen muss sich Zero Hunger vor Erstellung des KPI-Frameworks beantworten können:

  • Können wir unser strategisches Ziel (Spendenvolumen steigern) in kleinere (Teil-)ziele schneiden?
  • Welche Kennzahl eignet sich am besten für die Messung der Zielerreichung?
  • Welcher Zielwert stellt einen Erfolg dar?
  • Wie möchte ich die einzelnen Kennzahlen segmentieren können?

Mithilfe eines KPI-Frameworks kann Zero Hunger die Erreichung übergeordneter (Teil-)Ziele und die Performance der wichtigsten Kanäle messbar machen. Um die Zielerreichung der Maßnahmen hinterher auf einen Blick einsehen zu können, muss jedem Teilziel ein konkreter Key Performance Indicator (KPI) samt Zielwert zugeordnet werden. Die KPI lässt sich anschließend noch weiter segmentieren, um eine granulare Beobachtung verschiedener Kanäle oder Endgeräte zu ermöglichen.

So könnte ein exemplarisches KPI Framework aussehen:

Zero Hunger hat das übergeordnete, strategische Ziel in drei kleinere Teilziele heruntergebrochen. Im ersten Schritt möchte der Verein wissen, wie effizient die Akquise bzw. Ansprache von Dauerspendern verläuft. Dafür betrachtet Zero Hunger die Responserate von bereits erfassten Spendern in den Kanälen Mailing und Telefon. In nächsten Schritt betrachtet Zero Hunger die durchschnittliche Spendensumme pro Dauerspender. Der Zielwert von 50 Euro wurde bereits von der Geschäftsführung kommuniziert. Die Betrachtung des ROI (Return on Investment) stellt sicher, dass das Marketingbudget in den verschiedenen Kanälen effizient eingesetzt wird. Ergänzend dazu möchte Zero Hunger eine hohe Spenderloyalität sicherstellen. Dafür wird, neben dem bloßen Spendenvolumen, auch die Anzahl der Spenden pro Dauerspender sowie die Spenderbindungsquote festgehalten.

Schritt 2: Datenverarbeitungskonzept

Durch das KPI-Framework stellt Zero Hunger sicher, dass die Performance aller relevanten Touchpoints und Datenpunkte innerhalb der Dauerspenderkampagne messbar gemacht wird. Doch um die Daten später auswerten und interpretieren zu können, müssen diese noch bereinigt, zusammengeführt und in eine Datenbank eingespeist werden. Auf Basis der Datenstrategie entwickelt Zero Hunger dafür ein klares Konzept für die interne Datenverarbeitung. Neben den genutzten Fundraising-Kanälen prüft Zero Hunger auch die Möglichkeit, zusätzliche Datenquellen wie CRM-Systeme, Spenderdatenbanken oder externe APIs in den Techstack aufzunehmen. Um das Konzept wie gewünscht ausliefern zu können, entwirft die externe Beratung eine Checkliste für die Geschäftsführung:

  1. Dateninventar und -quellen
  • Welche aktuellen Datenquellen und -kanäle werden von Zero Hunger genutzt?
  • Wie relevant sind diese Daten bezüglich der Zielerreichung der Kampagne?
  1. Technologieauswahl
  • Wie sieht der Tool- und Techstack aktuell aus?
  • Wie soll dieser zukünftig erweitert werden?
  1. Datenqualität und Datenbereinigung
  • Wie wird eine ausreichend hohe Datenqualität hinsichtlich Genauigkeit, Vollständigkeit und Aktualität sichergestellt?
  • Welche Maßnahmen werden zur Bereinigung und Korrektur von Datenfehlern, -lücken und -dubletten durchgeführt?
  1. Datenvalidierung und -interpretation
  • Wie werden die gewonnenen Daten und deren Interpretation validiert?
  • Wer ist verantwortlich für die Ableitung von Handlungsempfehlungen?
  1. Datenintegration und -zusammenführung
  • Wo sollen die Daten zusammengeführt werden?
  • Wo sollen diese final gespeichert werden?
  1. Datenschutz und Datensicherheit
  • Wie werden personenbezogene Daten gemäß Datenschutzrichtlinien behandelt?
  • Welche Sicherheitsvorkehrungen stehen bereits gegen unbefugten Zugriff und Datenlecks?
  1. Dokumentation
  • Wo und in welchem Format wird die Datenstruktur dokumentiert?

Das neue Datenverarbeitungskonzept ermöglicht es Zero Hunger, unter anderem, sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten betrachten zu können. In der neu eingeführten Data-Lake-Architektur können die Daten dabei in ihrer ursprünglichen Form gespeichert und bei Bedarf abgerufen werden. Um agil auf wechselnde Anforderungen wie größere Datenmengen reagieren zu können, hält Zero Hunger die Datenarchitektur bewusst flexibel. So können zukünftig neue Datenquellen oder Analysetechnologien einfacher integriert werden.

Um eine ausreichende Datenqualität sicherzustellen, etabliert Zero Hunger leichtgewichtige Prozesse zur Datenqualitätskontrolle. Diese geben vor, wie Daten regelmäßig bereinigt werden, um Duplikate, fehlende Werte oder Inkonsistenzen zu beseitigen. Um die Datentransformation zu vereinfachen, nutzt Zero Hunger ein geeignetes Datenmodell, welches die Struktur der gesammelten Daten widerspiegelt und gleichzeitig die Analyseanforderungen unterstützt. Hier werden sowohl die verschiedenen Segmente der Kampagnendaten (z. B. Spender, Kampagnen, Kanäle) als auch die festgelegten KPI berücksichtigt. Auch an dieser Stelle etabliert Zero Hunger unterstützend zur neuen Technologie (ETL-)Prozesse (Extract, Transform, Load), um die Rohdaten in analysierbare Formate zu bringen. Pro Quellsystem muss es jeweils einen eigenen ETL-Prozess geben. Zusätzlich schult Zero Hunger die eigenen Mitarbeiter kleinteilig und rollenspezifisch im Umgang mit neuen Tools oder Technologien. So bauen diese kontinuierlich die benötigte Datenkompetenz für den Umgang mit diesen auf.

Schritt 3: Datenerfassung

Zero Hunger hat nun ein sehr gutes Verständnis davon, welche Daten relevant für die Zielerreichung der Dauerspender-Kampagne sind und wie der interne Datenfluss aussieht. Ohne dieses gemeinsame Zielbild wäre der Verein im Blindflug unterwegs und einer erhöhten Gefahr des zielfremden Handelns im Marketing und Vertrieb ausgesetzt. Allen Stakeholdern im Verein ist nun klar, welche Kanäle gemessen werden und wie generierte Daten intern weiterverarbeitet werden. Ein Blick auf das neu eingeführte KPI-Framework zeigt, welche Datenpunkte die wichtigsten für die Dauerspender-Kampagne sind und welche Kanäle priorisiert werden müssen. Um eine saubere Datenerfassung und eine qualitativ hochwertige Weiterverarbeitung sicherzustellen, erarbeitet Zero Hunger im nächsten Schritt gemeinsam mit der externen Beratung ein Trackingkonzept inklusive Dokumentation.

Im Trackingkonzept werden alle kampagnenspezifischen Trackingaktionen, Parameter und Events festgehalten. Als Grundlage für das Trackingkonzept dient das KPI-Framework. Für die dort definierten KPIs wird detailliert beschrieben, was konkret auf der Website passiert und wie genau der Trigger, also der Auslöser, für jedes einzelne Event auszusehen hat. Anschließend folgt eine technische Definition des Data Layers. In dieser wird festgehalten, welcher Data Layer Push verwendet wird, um beispielsweise Produkt-Impressionen zu erfassen. Zusätzlich dazu müssen noch die Ereignisparameter für Google Analytics definiert werden. Hier muss jedem Ereignisparameter ein Ereigniswert zugeordnet werden. Nach der Implementierung des Trackingkonzeptes folgt noch ein Testing zur Erfolgskontrolle. Eine anschließende Dokumentation der technischen Integration und Konfiguration der eingesetzten Tools ermöglicht weiteren Kolleg*innen sich leichter einzuarbeiten und zukünftige Anpassungen eigenständig durchzuführen.

Technische Definition: Data Layer 

Der Data Layer Push der nötig ist, um den Start des Spenden Checkout Prozesses zu messen (Klickinteraktion auf “Jetzt spenden” Button) muss wie folgt implementiert werden: 

Event Parameter

Das Start Event des Checkouts wird genutzt, um den ersten Schritt innerhalb des Checkout-Prozesses zu messen. 

Die folgenden Variablen werden mit jedem gestarteten Checkout-Prozess übertragen:

Schritt 4: Datenvisualisierung

Zero Hunger ist jetzt auf einem guten Weg, datengetrieben arbeiten zu können und eine Datenkultur etabliert zu haben. Die für die Dauerspender-Kampagne benötigten Daten werden erfasst und entsprechend aufbereitet. Dem Verein fehlt allerdings noch eine Möglichkeit, um die Daten allen Stakeholdern zur Verfügung zu stellen und sie anschaulich zu visualisieren. Erst dann schaffen die erfassten Daten einen Mehrwert und können in die Entscheidungsunterstützung einfließen. Ein sauber aufgesetztes Dashboard visualisiert die relevanten Daten anschaulich und ermöglicht eine Auswertung des IST-Zustandes einer Kampagne bereits mit wenigen Klicks. Für einfache Kampagnen reicht oft ein Standard-Dashboard ohne große Personalisierung. Je nach Tool lassen sich diese vergleichsweise schnell aufsetzen.

Für die Dauerspender-Kampagne hat sich die Geschäftsführung von Zero Hunger für die Einführung eines maßgeschneiderten Dashboards durch externe Beratung entschieden. Dieses ermöglicht eine Betrachtung und Auswertung der Kampagnenkennzahlen auf einen Blick. Damit die gemeinsame Auswertung der Kampagne keine einmalige Angelegenheit bleibt, führt Zero Hunger einen weiteren leichtgewichtigen Prozess für die bestmögliche Nutzung des Dashboards ein. Hierbei wird beschrieben, dass das gesamte Marketingteam in einem monatlichen Review einen genauen Blick auf die Kampagnenperformance wirft. Sollten die festgelegten Ziele nicht erreicht werden, können datengetriebene Entscheidungen bezüglich weiterer Fundraising-Maßnahmen getroffen werden. Wenn der teuer bezahlte Paid-Kanal nicht die benötigten Dauerspender einbringt, kann das Budget neu verteilt und für erfolgreichere Kanäle wie den Newsletter verwendet werden. Ein gutes Fundraising-Dashboard trägt maßgeblich dazu bei, zielfremdes Handeln zu reduzieren und die Marketingausgaben zu senken. Dieser datengetriebene Ansatz erleichtert auch das Testen neuer Maßnahmen, da der (Miss-)Erfolg deutlich und zeitnah nachgewiesen ist.

So könnte das Dashboard in der fiktiven Fallstudie aussehen:

Fazit

Die Geschäftsführerin von Zero Hunger blickt stolz auf das frisch geschaffene KPI-Framework. Zusammen mit dem Datenverarbeitungs- und dem Tracking-Konzept wurde eine Basis geschaffen, um Fundraising-Aktivitäten ab sofort systematisch messen und auswerten zu können. Der Verein ist nun in der Lage, datengetriebene Entscheidungen für das Fundraising des Vereins zu treffen.

Nun möchte der Verein den nächsten digitalen Reifegrad erreichen: Mit Technologien des Machine Learnings (ML) sollen Prognosen über das Verhalten von Spenderinnen und Spendern getroffen werden. Diese Prognosen sollen die Basis für die geplante Dauerspender-Kampagne bilden.

Im nächsten Teil der fiktiven Fallstudie zeigen wir auf, wie auf Basis der neu geschaffenen Grundlage eine Onboarding Kampagne für Dauerspender mithilfe von Predictive Analytics aufgezogen werden kann.

Die Fallstudie wurde zusammen mit dem IT-Büdchen erarbeitet. Das IT-Büdchen unterstützt insbesondere NGO dabei, Kampagnen zu gestalten, zu kommunizieren, zu steuern und zu messen.